Projekttagebuch: Mr. X

Unsere Projektstunden werden mehr und mehr zu einer Farce. Denn als ob die ganzen, ich nenne es einmal nett „Eigenheiten“ unseres Projektteams nicht schon genug wären, so wurden wir auch noch mit einem Projektbetreuer gesegnet, der mich stark an Radioaktivität erinnert. Soll heißen, man sieht ihn nicht. Soll heißen, er ist nie da.

Üblicherweise sollte bei den Projektstunden ein Betreuer anwesend sein, der die Bemühungen der fleißigen Studentenschaft in die richtigen Bahnen leitet. Und eigentlich sollten wir einen Betreuer (oder Betreuerin?) namens Kerschbaumer haben. Jedoch war dieser Kerschbaumer noch nie anwesend, unsere Bemühungen verlaufen vollkommen bahnlos.
Zuerst waren wir ängstlich, dann verwirrt und jetzt ein bisschen verärgert. Um es mit einigen Worten von Schweighofer auszudrücken, die er einmal lallte in den wenigen Momenten, in denen er nicht sturzbetrunken laut schnarchend in einer Ecke lag: „Den Kerschbaumer konnst komplett heilln“.

Auf unser wiederholtes Nachfragen im Sekretariat, wo denn nun unser Betreuer sei, bekamen wir jedesmal nur obskure Ausreden zu hören. So war Kerschbaumer leider beschäftigt, weil er zB dabei war Krebs zu heilen, Osama Bin Laden einzufangen um das Kopfgeld an Amnesty International zu spenden oder soeben in Area 51 einzubrach um der Menschheit ein für alle Mal die Wahrheit zu verkünden.

Nun, wir können uns glücklich schätzen, dass wir so einen Tausendsassa unseren Betreuer nennen dürfen. Trotzdem ließen wir nicht locker (bzw. der Großteil unseres Teams, denn Schweighofer lag noch in besagter Ecke und Pendlmayr war mit zwei oder drei Sekretärinnen „beschäftigt“ weil er, ich zitiere, „die Wahrheit aus diesen geilen Schlampen rausholen werde“. Zur Information: Eine internationale Expertenkommission hatte ihm einmal die Potenz einer ganzen Mammutherde bescheinigt, und er scheute sich nicht davor, diese auch einzusetzen. Oft auch gegen den ausdrücklichen Willen einiger Beteiligter. Dazu aber ein andermal mehr.

Jedenfalls suchte der Rest des Teams krampfhaft nach Anzeichen, ob dieser Kerschbaumer überhaupt schon einmal gesehen wurde in der Fachhochschule. Trotzdem: Niemand hatte ihn je zu Gesicht bekommen. Es gab nicht das kleinste Anzeichen dafür, dass dieser Mann überhaupt existiert, wenn man einmal von seinem Namen in unserer Projektübersicht absieht.
In einer Nacht und Nebel Aktion brachen wir ins Sekretariat ein (Pendlmayr lenkte dabei die Wachen ab) und suchten nach seiner Akte. Überrascht stellten wir fest, dass eine existierte (wir hatten scho nicht mehr daran geglaubt). Jedoch war das dazugehörige Foto herausgerissen, alle Daten übermalt und ein riesiger Stempel mit der Aufschrift „Missing in Action“ prangte schräg über dem Deckblatt. Unterschrieben war das ganze von einem gewissen DCI Porter J. Goss. Sehr seltsam.

Jedenfalls wurde man ob der ganzen Fragen aufmerksam auf unser Team. Ein großer, eleganter Herr im schwarzen Anzug und Sonnenbrille suchte uns auf und legte uns nahe, jegliche Nachforschungen sofort und unwiderruflich einzustellen. Während er dies sagte schimmerte unter seinem Sakko wie zufällig der Griff einer, wie ich zweifellos feststellte, Desert Eagle .50 auf.
Natürlich können wir uns so schlagkräftiger Argumente nicht verschließen. Wer braucht schon einen Projektbetreuer? Pah, wir nicht! Wir haben auch mit uns selbst schon genug Probleme …