Studienfachrichtung Arbeitslosigkeit?

Gestern hatte ich ein äußerst interessantes Gespräch mit dem verantwortlichen (Chef)Redakteur des Wirtschaftsteils einer führenden oberösterreichischen Tageszeitung, in dessen Verlauf ich ihm auch die Frage stellte, was man denn üblicherweise für eine Ausbildung benötigt, um als Redakteur in einer Zeitung arbeiten zu können. Das interessierte mich natürlich brennend, da Schreiben (zB eine Kolumne in einer Zeitung) zu meinen wahrscheinlich unerreichbaren Träumen gehört.

Die Antwort war so einfach die überraschend: "Eigentlich egal, nur keine Publizistikstudenten". Meine hochgezogenen Augenbrauen bemerkend fuhr mein Gegenüber fort und erklärte, dass Publizistiker zwar schreiben können, aber viel zu theoretisch sind – es fehlt ihnen einfach an Fachwissen im jeweiligen Ressort. Für den Wirtschaftsteil ist man am besten Volkswirt bzw. Wirtschaftswissenschaftler (ehemals BWLer) oder ähnliches, für Innen- und Außenpolitik wurde mir ein Geschichts- und Politikwissenschaftsstudiom ans Herz gelegt. Ansonsten sind auch stets Juristen, ab und an sogar Sozialwissenschaftler gern gesehen.

Nur bitte keine Publizistikstudenten – wer Schreibtalent hat, braucht keine solche Ausbildung, und wer sowas nicht hat, dem hilft ein Publizistikstudium auch nicht weiter. Übrigens: Die Akademikerquote ist bei erwähnter Zeitung zwar hoch, aber es gibt durchaus auch Redakteure, die noch nie eine Uni von außen gesehen haben * – eine HAK sollte es aber schon sein.

Auf meine Frage hin, was denn dann bitte Publizistikstudenten arbeiten, wenn nicht in einer Zeitung, grinste der Wirtschaftsredakteur, zuckte mit den Achseln und meinte nur: "Keine Ahnung". Daher gebe ich die Frage an den geneigten Leser und die bezaubernde Leserin weiter: Was bzw. wo arbeiten Publizistikstudenten?

* © Dirk Stermann, dessen neuesten Film zu sehen ich hoffentlich bald Zeit finde.

8 Gedanken zu „Studienfachrichtung Arbeitslosigkeit?“

  1. Aber so ein Publizistikstudium ist grundsaetzlich schon was tolles, wenn man so Lehrveranstaltungen wie ein Pornografietutorium (!!!) hat.

  2. ich, der ich politikwissenschaft studiere um ein fachgebiet zu haben, und publizistik- und kommunikationswissenschafte studierte um besseren einblick in alles was mit kommunikation zu tun hat (ich hab nie gedacht, dadurch zum journalisten ausgebildet zu werden, was manche sicher erwarten, sondern wollte eben mein verständnis diesbezüglich fundieren) kann sagen, dass dieser herr einen zweifelhaften einblick in das fach haben dürfte. publizistikwissenschaften hat nicht umsonst den beinamen "und kommunikationswissenschaften". die studenten können in allen möglichen kommunikation und medien betreffenden berufen arbeiten (journalismus, pr & marketing, werbung, wissenschaft, politik, verlagswesen…), weil sie die grundlegenden funktionen davon verstehen. ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass es medienmenschen abgeht, wenn sie sich nicht wissen aus diesem fach aneignen (ob nun über ein studium oder anders). nicht umsonst haben die erfolgreichsten und besten medienmenschen die ich bisher in meinem leben live erlebt habe (unter anderem styria-chef/weltzeitungsrats-präsident horst pircher und presse-chefredakteur michael fleischhacker) beeindruckende kenntnisse auf dem theoretischen gebiet gehabt.

    warum publizistiker "schreiben können" sollen, is mir unverständlich. es ist eigentlich genau das, was man im studium überhaupt nicht lernt. das behandelt eben kommunikation als eine wissenschaft, welche die einsicht in vorgänge verbessert. es ist keine ausbildung. schreiben muss man sich selber oder anderswo beibringen.

    übrigens: publizistiker studieren fast immer noch andere fächer und absolventen haben soweit mir einmal gesagt wurde eine der niedrigsten arbeitslosenquoten unter akademikern (weil das studium eine basis bietet auch in berufe zu gehen, die es zum zeitpunkt des studienbeginns noch gar nicht unbedingt so gibt).

    PS: ich hab das pkw-studium übrigens nach 2 semestern mehr oder weniger abgebrochen (soll heißen, ich picke mir noch die besten veranstaltungen als ergänzung für PoWi raus, werd es aber nicht fertigstudieren). nicht weil es uninteressant oder unbrauchbar war (obwohl sehr zweifelhaft organisiert), sondern weil die zustände unzumutbar waren.

  3. Tom, mag sein, ich hab nur weiter gegeben, was ich erfahren hab (und was mich auch sehr überrascht hat).

    Von anderen Rückmeldungen (leider nicht in Kommentarform) hab ich aber erfahren, dass zumindest auch bei anderen Zeitungen die Keine-Publizistik-Richtlinie nichts Unbekanntes ist.

  4. Also meine Freundin hat Publizisitk studiert und arbeitet bei der größten Oberösterreichischen Tageszeitung 🙂
    Aber ich glaube das ist einfach eine Kombination von Schreibtalent und interesse für Publizistik. Und wenn ich mir so anhör, was teilweise für Vollvasen bei den Zeitungen arbeiten, wo ich Einblick hab, dann denk ich mir, dass das Studium alleine *garnix* aussagt.

  5. jo, die publizistikfeindlichkeit ist nicht wirklich neu. hat viele gründe: angefangen von der organisation des studiums, die unterschiedlichste menschen anspicht, bis hin zum völlig falschen öffentlichkeitsbild des studiums, dass dann eben auch in der ablehnung solcher leute wie deinem kontakt resultiert.

    man darf sich halt nicht der illusion hingeben, es wäre eine journalismusausbildung (was zwar sicher auch viele studienanfänger glauben, die hören dann aber normalerweise auch schnell wieder auf). was aber wiederum eben nicht bedeutet, dass es für journalisten unnütz wäre, pkw studiert zu haben… und während der erste rückschluss den medienleuten in diesem land klar zu sein scheint, hört sich dein bericht eher so an, als wäre die zweite erkenntnis noch nicht so wirklich zu allen durchgedrungen.

    ich persönlich bin ja eher sehr skeptisch was medien-quereinsteiger anbelangt, die nie wirklich intensiv mit dem konfrontiert waren, was medien eigentlich tun bzw. was kommunikation eigentlich tut.