Gründliche Grundsicherung

Mit tiefer Sorge habe ich die Entwicklungen bei den Koalitionsverhandlungen im Allgemeinen und das Gerede über die Grundsicherung im Besonderen verfolgt. Während des Wahlkampfes hat die SPÖ diese ja als neues Buzzword entdeckt und vollmundig das "Grundeinkommen für jeden" angekündigt. Für mich als (doch ziemlich schwer) arbeitenden Menschen ist dies natürlich ein Graus, denn so kriegt es das faule, arbeitsscheue Gesindel noch mehr überall reingestopft als bisher. Warum "soziale Gerechtigkeit" grundsätzlich schlecht ist für Österreicher, die arbeiten für ihr Geld, habe ich sowieso noch nicht ganz verstanden … egal jetzt. Jedenfalls ist nun anscheinend die ÖVP auf SPÖ-Linie geschwenkt und unterstützt eine Grundsicherung von 726 Euro vierzehnmal im Jahr. Doch, siehe da, die SPÖ meint jetzt auch plötzlich, dass diese Grundsicherung natürlich an genaue und strenge Bedingungen geknüpft ist ("für jeden" ist wohl bei der feucht-fröhlichen After-Wahl-Party verloren gegangen).

Mir ist das natürlich äußerst recht und ich habe mir auch schon Gedanken gemacht, was diese Bedingungen denn sein sollten:

  • Man darf keine sonstigen Förderungen oder Unterstützungen von öffentlicher Hand bekommen (dazu zählen auch Familien- und Studentenbeihilfe, Kindergeld oder Stipendien)
  • Man darf über keinerlei nennenswerten Vermögenswerte verfügen.
  • Man muss mindestens einen akademischen Titel vorweisen können.
  • Man muss arbeitswillig sein, selbstverständlich auch nicht arbeitslos.
  • Man muss das Witzchen "1 + 1 = 10" verstehen und genau jetzt leicht grinsen, während man diesen Zeilen liest.
  • Man muss ein rotes deutsches Auto fahren, optimalerweise einen VW Vento namens Malik.

Diese etwas strengere Regelung hat auch den angenehmen Nebeneffekt, dass sich die Finanzierung der Grundsicherung relativ angenehm in die Bilanz einfügt. Ich erwarte in Kürze den ersten Scheck von unserem Sozialministerium, ich hab ihn mir ja auch redlich verdient.

15 Gedanken zu „Gründliche Grundsicherung“

  1. Ich bin zwar kein guter Hellseher, getraue mir aber trotzdem voraussagen, dass Du wahrscheinlich nicht zu den Empfängern gehören wirst 😉
    Macht aber nichts, bezahlen tun wir trotzdem alle zusammen…

  2. in deinem beitrag hast du wunderbar alle landläufigen missverständnisse und fehlinformationen zum konzept grundsicherung bedient, die so umgehen.

    *es gibt einen haushohen unterschied zwischen grundeinkommen (für jeden) und grundsicherung (bedarfsorientiert). mir ist schon bewusst, dass diese begriffe noch nicht ins alltagswissen übergegangen sind. aber wenn man sich schriftlich darüber echauffiert, sollte man es halt einmal in der wikipdia nachlesen.
    grundeinkommen wird und wurde von keiner partei gefordert. auch die grünen haben sich bewusst gegen grundeinkommen entschieden zugunsten des modells "bedarfsorientierte grundsicherung".

    *grundsicherung ist keine soziale hängematte. mit dem argument müsste man genauso gegen arbeitslosengeld sein. sowohl die grünen als auch die spö haben IMMER gesagt, dass der bezug an bedingungen gebunden ist, wie bedarf (!) und arbeitssuche (soweit nicht invalidität vorliegt).

    *von der grundsicherung profitieren nicht nur faulenzer und sozialschmarotzer (die am allerwenigsten, weil sie ihnen sowieso nicht zugesprochen werden wird), sondern potenziell eine wachsende zahl an arbeitenden menschen, die dank der neuen arbeitswelt nicht ins sozialsystem eingebunden sind: neue selbständige, ein personen-unternehmer, scheinselbständige (werkvertrag, freier dienstnehmer), zwangs-teilzeitarbeiterinnen (meist frauen).

    *so wahnsinnig teuer ist die grundsicherung nicht (nach dem grünen modell 600Mio.€/Jahr). die ausgaben dafür gehen praktisch 1:1 in den konsum, weil jemand der 726€ im monat verdient, diese natürlich sofort wieder umsetzen muss und nicht sparen kann. außerdem wird so jemand vor allem einheimische produkte kaufen.

    *ist es nicht verständlich, dass, wenn der staat schon sozialleistungen anbietet, man von diesen auch halbwegs überleben können sollte? wenn man einen teilzeitjob hatte (weil man keinen vollzeit bekommen hat) und dort 800€ verdient hat (reicht gerade so), bekommt man ca 400-450€ arbeitslosengeld. davon kann man nicht leben! beim besten willen nicht!

  3. @ Markus Gansterer:

    Egal, welchen Begriff wir verwenden und in welchen Usancen sich die von dir so stark differenzierten Begriffe "Grundeinkommen" und "Grundsicherung" unterscheiden, die zentrale Frage ist und bleibt die Folgende:

    Mit welchem Grund soll eine potentielle Arbeitskraft einer Beschäftigung nachgehen, wenn diese vor folgende Wahl gestellt wird:

    A. 726 EUR, 14 mal im Jahr

    oder

    B. 950 EUR netto, 14 mal, bei einer Tätigkeit als Sekretärin, Tischler, Maler, Friseurin, Verkäuferin, etc.

    Denke, du weißt die Antwort, ohne dass du einen Freund anrufen mußt, das "Publikum" befragen mußt oder gar nach dem 50/50 Joker fragen mußt …

  4. @ghostwriter

    * weil es wie beim derzeitigen arbeitslosengeld richtlinien gibt, die einen dauerhaften missbräuchlichen bezug der grundsicherung verhindert. ein gesunder 32-jähriger facharbeiter wird keine grundsicherung beziehen dürfen, wenn er einen vom ams angebotenen job nach dem anderen ablehnt.

    * weil es nach dem bedarf geht. entweder, wenn wir jetzt eine frau hernehmen die in ihrem job deine erwähnten 950€ verdient, ist die alleinerzieherin und kommt mit den 726€ gar nicht aus und ist auf die 224€ mehr im monat angewiesen. oder sie hat einen mann der arbeitet undgeld verdient und somit der BEDARF gar nicht gegeben ist.

    * weil man, wenn mans drauf anlegt, von 726€ nicht wirklich bequem leben kann, sondern gerade einmal so über die runden kommt. gleichzeitig hat man 24h am tag freizeit, die zusätzlich etwas kostet, wenn man nicht 10jahre rund um die uhr vor dem fernseher verbringen will.

    * weil es sich kaum jemand gesellschaftlich leisten kann oder will, seinem umfeld zu sagen, dass er/sie seinen beruf zugunsten eines bequemen lebens in der hängematte aufgibt. menscheb bekziehen ihr selbstbewusstsein und ihre identität aus ihrem beruf.

    (die letzten beiden punkte nur wenn man die sicherungsmechanismen der ersten beiden außer acht lässt)

    die övp-propaganda hat hart daran gearbeitet, die grundsicherung als sauteure hängematte für sozialschmarotzer darzustellen. aber unsere ach so soziale, fälschlicherweise abgewählte kanzlerpartei kennt sich bei sozialreformen sicher besser aus als ein großteil der sozialexperten…

  5. @ Markus Gansterer:

    "ist die alleinerzieherin und kommt mit den 726€ gar nicht aus und ist auf die 224€ mehr im monat angewiesen"

    und

    "von 726€ nicht wirklich bequem leben kann, sondern gerade einmal so über die runden kommt. gleichzeitig hat man 24h am tag freizeit, die zusätzlich etwas kostet, wenn man nicht 10jahre rund um die uhr vor dem fernseher verbringen will"

    –> hast du schon einmal etwas von Schwarzarbeit gehört? (wenn nicht empfehle ich die umfassenden Arbeiten von Prof. Schneider)

    Jemand, der 950 EUR im Monat verdient, arbeitet ja – unter Einbeziehung der Existenz einer Grundsicherung – dann in Wahrheit für 224 EUR im Monat. Diese Kohle läßt sich in der Schwarzwirtschaft locker verdienen (Bauwirtschaft, Gastronomie, etc.)

    Hinzu kommt, dass es Personen gibt, deren Präferenzen so gestaltet sind, dass diese lieber 40 h zusätzliche Freizeit wählen, als 224 EUR extra (das subjektive Nutzenkonzept ist Teil des 1. Semesters jeder wirtschaftswissenschaftlichen Studienrichtung)

    Arbeitende Menschen fühlen sich durch die Grundsicherung (welche diese ja bezahlen) vom Staat noch mehr geschröpft, was unter anderem dazu führt, dass deren Steuerehrlichkeit sinkt. So versuchen diese, durch Nachfrage nach Schwarzarbeit (Hausarbeit, Reparaturarbeiten, etc.) sich wenigstens ein kleines Stück vom Kuchen wieder zurückzuholen. So schließt sich dann der Kreis: mehr Angebot und Nachfrage am Schwarzmarkt führt naturgemäß zu einer Expansion dieses "Sektors", womit die wahren Kosten der Grundsicherung durch diese indirekten Effekte weitaus höher werden als angenommen.

    Und das Argument, dass "es sich kaum jemand gesellschaftlich leisten kann oder will, seinem umfeld zu sagen, dass er/sie seinen beruf zugunsten eines bequemen lebens in der hängematte aufgibt" ist längst überholt. Diese Auffassung hatte mit Sicherheit in den 50er und 60er Jahren Bestand (als soziologische Folge des Wiederaufbaus), ist jedoch zunehmend – als Folge des rapiden Ausbaus der Sozialsysteme – stetig und stark zurückgegangen.

  6. und nocheinmal: dass die grundsicherung eine "wir haun unser geld an alle raus die es wollen"-Maßnahme ist, entspringt rein den ÖVP-Spin-Doktoren.
    es gibt ähnliche kontrollmechanismen wie beim arbeitslosengeld!
    wer arbeitsfähig ist und laufend zumutbare jobs ablehnt, bekommt keine grundsicherung.

  7. nur auf ÖVP – Spin – Doktoren sowie auf "Kontrollmechanismen" (ohne diese im Detail zu diskutieren und vor allem kritisch zu hinterfragen) zu verweisen ist argumentativ etwas schwach …

    und noch etwas: das Können sowie der Einfluss der viel zitierten ÖVP-Spin-Doktoren wird ständig überschätzt. Das Wahlergebnis sollte hierfür als Beweis wohl reichen … (oder glaubt hier wirklich jemand ernsthaft, dass Lopatka und seine Jünger Meister der politischen Agitation sind ???)

  8. @ Markus Gansterer

    Natürlich wird es entsprechende Regelungen geben um den Missbrauch zu verhindern. Doch wie jeder weiß, hat jedes System seine Mängel (auch deine Sozialexperten sind nur Menschen…).

    So werden viele eher die 40 Stunden Freizeit wählen, anstatt um 900 € arbeiten zu gehen.

    und 726 € –> es hängt immer davon ab welche Ansprüche man ans Leben hat
    viele Personen im Lande könnten jedenfalls davon leben.

    jedenfalls ist es besser solch ein System zuerst kritisch zu hinterfragen (övp) als eine Grundsicherung für JEDEN (SPÖ) (Wahlpropaganda) zu versprechen!

  9. die övp hat nicht kritisch hinterfragt, sondern wie bei der gemeinsamen schule (einheitsbrei, HTLs sollen abgeschafft werden, …) mit halbwahrheiten und absichtlichen missinterpretationen agiert.

    ich verstehe nicht, wieso du dich so am ausdruck "für jeden" stößt. das bedeutet ja nicht, dass wir an jede/n die grundsicherung ausbezahlen, sondern dass jede/r anspruch darauf hat, sofern er/sie sie benötigt. und etwas anderes war nie gemeint, nur von der övp so verbreitet.

    ich habe ja eigentlich schon erklärt, dass es die wahl grundsicherung+feizeit oder mehr geld+arbeiten ja nicht geben wird, weil missbrauch durch entzug geahndet werden wird.

    gerade am land ist der soziale druck hoch, sodass dort die leute oft nichteinmal trauen, die ihnen zustehenden sozialleistungen zu beziehen. am land muss man nämlich aufs gemeindeamt und dort kennt einem ein jeder.

    natürlich hat jedes kontrollsystem seine mängel. aber mein gott, sollen halt 5% von mir aus auch 10% ein bissl mehr bekommen als ihnen zusteht, dafür bekommen 95% der leute das geld, weil sie es wirklich brauchen. und eine grundsicherung brauchen immer mehr menschen: freie dienstnehmer, scheinselbständige, epus, menschen die oft den job wechseln müssen, zwangs-teilzeitbeschäftigte, etc.
    heutzutage wird man vom hartarbeitenden braven einzahler schnell zum "sozialschmarotzer".

    und zum mythos, dass unser sozialsystem so sehr missbraucht würde: der anteil an zu unrecht ausgezahltem geld liegt in allen untersuchungen seit vielen jahren konstant bei 2-3%. soll sein.
    viel schwerer wiegen da luxuspensionen von beamten und BH-Offizieren die vor der pension noch schnell befördert werden und dann mit 80-100% des letztverdienstes in den ruhestand gehen. da hat die övp noch sehr wenig dagegen getan, vor allem in den bundesländern.

  10. Flamewar rocks! Der erste in meinem Weblog, ein denkwürdiges Datum.

    Nur fürs Protokoll: Ich bin der Meinung, dass jeder halbwegs gesunde Mensch Arbeit findet, wenn er welche will (dass sich ein Hauptschulabbrecher nicht um Posten im Topmanagement bewerben soll, ist wohl klar). Natürlich gehören zB Mütter oder Behinderte besonders unterstützt – aber dass grundsätzlich jeder für sein Geld arbeiten sollte, müsste eigentlich auch in einer rot-regierten sozialen Marktwirtschaft klar sein. Müsste …

    Hätte ich die Wahl, würde ich mein hart verdientes Geld lieber in ein Land tragen, wo mir nicht fast die Hälfte (und da red ich noch nicht mal vom Dienstgeberanteil) abgenommen und an Fremde verteilt wird.

  11. @oldman: muss deine meinung zu 100% teilen!
    Es gibt meiner Meinung nach zu viele Menschen – die arbeiten könnten (geistig, körperlich) und dies nicht tun – weil ihnen der Staat zu viel unter die Arme greift… 726€ – besser ois a stoa am schädl – warum don an fuas ausreissen !

    gut dass es noch solche arbeitenden menschen gibt, die sich das nicht denken, und die wirtschaft/gesellschaft/österreich am leben erhalten – es is eh traurig genug wie’s momentan zugeht…

    jm2c
    mfg

  12. Eigentlich sind wir doch alle ein und derselben Meinung: Arbeitswillige Arbeitslose sollten eine Grundsicherung erhalten, Schmarotzer sollten leer ausgehen und ein Arbeitender sollte auch entsprechend entlohnt werden.

    Hier bedient sich aber jede Meinung nur an den für sie vorteilhaften und einseitigen Argumenten, die wir sowieso alle kennen! Und da das in der Politk nicht anders ist….

  13. @ Markus Gansterer

    Lieber, lieber Markus!

    Nach eingehenden und langwiereigen Überlegung, in der erst vor kurzem begonnen stillen Zeit, habe ich mich nun entschieden mein Studium abzubrechen.
    Da ich aber aufgrund des Kontrollnetzwerkes des Sozialministeriums und der Spinnereien des ÖVP-Kabinetts aus der Liste der potentiellen Grundsicherungsempfänger gestrichen wurde, weil bin ja ein relativ gesunder aber nicht arbeitswilliger Mensch, bitte ich dich hiermit eine "Sonder-Augenzudrückregelung", für Menschen wie mich, durchzusetzen.

    Dies würde dann bedeuten, dass sich Dank der Propagandapolitik der ehrenwerten SPÖ mein Einkommen quasi sprunghaft erhöhen wird.

    378,72€ / Semester –> 54,10€ (auf 14 Monate verteil, 2mal versteht sich)
    726€ / Monat Grundsicherung
    =780,10€ / Monat …äh 14 mal im Jahr

    …und dazu müsste ich nicht einmal das Studium beenden, da die Studiengebührne ja sowieso, quasi selbstverständlich abgeschafft werden!

    …unsere Kinder werden sich freuen!
    Danke Markus (GANGSTERrer)

  14. hm, immerhin kann ich mich noch an die zeit erinnern, wo die posts in diesem blog noch unpolitisch und lustig waren, und nicht dann in irgendwelche politischen flamewars ausgeartet sind.

    lexx
    // ps: ich hab bei 1 + 1 = 10 geschmunzelt 😉