Tschüss, Aber Hallo

Kaum eine Überraschung war für mich, dass die Rewe-Marke "Aber Hallo" zu einem Flop wurde . Unter "Aber Hallo" wurden Mobilfunkverträge aller möglichen Anbietern in Merkur-, Billa und Bipamärkten verkauft. Oder besser gesagt: Sollten verkauft werden.

In meinen vielen Jahren als Mobilfunknutzer bin ich ja noch an keinen einzigen kompetenten Kunden"berater" gekommen (da zeigt sich mal wieder, dass in den ganzen Mobilfunk-Shops keine ausgebildeten Techniker arbeiten, sondern nur Promoter, die man offensichtlich beim WWF und den Zeugen Jehovas nicht nehmen wollte). Aber selbst die strohdumme Drei-Mitarbeiterin mit dem südösterreichischen Dialekt, die kein einziges Mal vom Bildschirm hochschaute als ich mit ihr sprach, schien mir noch eine Leuchte gegen die traurigen Gestalten, die seit Monaten täglich bei ihrem kleinen Stand vor dem lokalen Merkurmarkt herum lungerten.

Sie taten mir zwar schon etwas leid, weil kaum einer der Passanten auch nur Notiz von ihnen nahm, geschweige denn mit ihnen sprach, geschweige denn ihnen etwas abkaufte. Aber man kann doch nicht allen Ernstes erwarten, dass man so erfolgreich Technik, die noch dazu ziemlich beratungsintensiv und der Markt extrem heiß umkämpft ist, verkaufen kann. Wieviel Verträge muss man eigentlich an den Mann bringen, um von den Mobilfunkern genug Provision zu bekommen, um auch nur einen dieser armen "Verkäufer" bezahlen zu können? Also ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Businessmodell selbst auf dem geduldigen, theoretischen Papier eine recht gute Figur gemacht hat.

Fritzl war mein 9/11

… denn das änderte alles.

Seit dem Horror-Opa von Amstetten schreckt und wundert mich gar nichts mehr. Da waren selbst die Berichte der spanischen 19-Jährigen , die zwei Monate vom Ex-Freund und dessen Familie (!) im Transformatorenhäuschen gefangen, misshandelt und vergewaltigt wurde, nicht genug, um mich auch nur im geringsten aus dem Halbschlaf zu reißen. Im Gegenteil, mehr als ein "sei froh, hätte auch 144-mal länger dauern können" kam mir gar nicht in den Sinn.

Fritzl hat die Latte verdammt hoch gelegt.

Meine beste Idee heute

Ich glaub, es wär unendlich lustig, in Telefon-Warteschleifen ein Tonband mitlaufen zu lassen. So kann man sich zu eigenen Belustigung anhören, was die Leute alles reden, wenn sie fünfzehn Minuten lang ungeduldig darauf warten, dass am anderen Ende jemand abhebt. Da werden definitiv Perlen in Form von ewig ungehörten Flüchen und Beschimpfungen vor die Säue geworfen.

Ganz im Sinne von "Gibt es eigentlich ein Geräusch, wenn ein Baum im Wald umfällt und niemand zuhört?": Ist es eigentlich Beschimpfung, wenn niemand dabei ist und empfängt?

Wir und unser seltsamer Umgang mit dem Führer

Dass ein Madame Tussauds in Berlin eröffnete (nach London und Amsterdam erst die dritte Filiale der englischen Wachsler in Europa), war den einschlägigen Medien kaum eine müde Notiz auf der Kulturseite wert. Dass jemand erbost die Wachsfigur von Hitler enthauptete und dabei zwei Wachmänner über den Haufen rannte, wird in aller skandallüsternder Ausführlichkeit rauf und runter berichtet.

Ein Grund für mich, mich einmal mehr über die Vergangenheitsbewältigung von Deutschland (und Österreich) zu wundern. Adolf Hitler hat ja schon zu seiner Zeit arg die Gemüter erhitzt, dass er aber jetzt, fast 70 Jahre nach dem Höhepunkt des Dritten Reiches, noch immer eine so mystische Figur darstellt, entzieht sich meinem Verständnis. Schon allein das Wort "Hitler" ist so tabuisiert, dass es ein seltsames, "verbotenes" Gefühl auslöst, wenn man es ausspricht – von "Nazi", "Hakenkreuz" und "Führer" ganz zu schweigen.

Einerseits will und darf niemand über diese zentrale mitteleuropäische Vergangenheit reden, aber andererseits interessiert sich jeder brennend dafür – am meisten die, die immer ganz schockiert aussehen, wenn sie wo das Wort "Führer" hören und sei es nur bei der nächsten Firmenwanderung und mit einem "Berg-" davor. Das zeigen schon die regelmäßigen Berichte im Spiegel oder anderen "seriösen" Medien, die von Hitler, seinen Gefährten oder deren Taten handeln. die Artikel stehen war alle unter einem Stern der ernsthaften Vergangenheitsbewältigung, dient aber mal wieder nur dazu, die Auflage zu steigern – mit Erfolg, den Hitler interessiert ja jeden. Wobei wir wieder beim abgerissenen Wachskopf und dessen ungewöhnlich hohen Medienecho wären.

Kinder würden den falschen Eindruck eines "Stars" von Hitler bekommen, wenn man ihn neben all den anderen Celebrities ausstellt, meinen Befürworter des Angriffs. Falsch! Kinder haben jetzt schon den komplett falschen – nämlich unvollständigen – Eindruck von ihm. Um das Phänomen und die Faszination Hitler zu "beschränken" und ihr entgegenzuarbeiten, muss man ihm ein alle Mal das Verbotene und das Mystische nehmen.

Kinder (als auch Erwachsene) sollen in Deutschland und Österreich wieder Hakenkreuze in Film und Fernsehen sehen dürfen – erst dann hat es bei Hauptschülern nicht mehr den aufregenden Hauch des Verbotenen, es versteckt auf Parkbänken einzuritzen. Großeltern sollen davon erzählen dürfen, wie sie einst dem Führer zugejubelt haben – wer kann es ihnen verdenken, 1938 hat die Geschichte noch etwas anders ausgesehen. Hitler soll seinen Status als Oberster Erzbösewicht verlieren und dorthin kommen, wo er realistischerweise hin gehört – nämlich auf eine Ebene mit allen anderen wirklich fiesen Figuren der Geschichte, etwa zu Nero, Stalin, Pol Pot oder Idi Amin.

Erst dann wird das Dritte Reich den Touch der aufregenden Abenteuer-Fantasy-Geschichte voller mystischer Helden wie bei den Tempelrittern oder bei Frodo und Perry Rhodan genommen. Erst dann wird aus der Vergangenheit das was sie ist, nämlich reale Geschichte – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und dann ist es plötzlich gar nicht mehr so aufregend und schockierend, wenn eine der zentralsten Figuren des 20. Jahrhunderts in einem Museum ausgestellt wird.