Was ist nur passiert?

Bevor ich mich wichtigeren Dingen (es folgt doch tatsächlich bald ein gehypter Eintrag über Toiletten) zuwende, muss ich unbedingt (solange ich noch aufgebracht bin) über, in bester österreichischer Manier, gestern sudern. Üblicherweise verkneife ich mir ja (ernstgemeinte) politische Kommentare, aber diesmal brennt es einfach zu heiß auf meiner Seele. Obwohl ich auf WahlBlogs.at interessanterweise als Anhänger des BZÖ orange einkategorisiert werde, oute ich mich hiermit doch lieber als Schwarzer (leider nicht in jener Form, die positive Auswirkungen auf mein Gemächt hätte) und trauere mit meinen Bundesgenossen über die herbe und unerwartete Niederlage.

Zugegeben, die ÖVP ist nicht perfekt (weit davon entfernt, ich erinnere als Beispiel nur an die runzelige, realitätsferne Unterrichtsministerin Lisi), stellt aber im Vergleich zum rotstrahlenden Wahlsieger Gruselbauer eindeutig das kleinere Übel dar (über den Zuwachs bei der FPÖ, die 2002 ja noch inklusive dem BZÖ war, möchte ich lieber nichts sagen). Die Geschichte wiederholt sich offensichtlich schon wieder, denn schon die rote Alleinregierung Kreisky hatte über mehr als ein Jahrzent mit billigen Wahlparolen das Budget in die Krise gestürzt – könnten wir uns heute jene Zinsen und Zinseszinsen sparen, die sich seit damals angesammelt haben sparen, könnten wir mehr als den legendären 100.000 Arbeitslosen Kreiskys Arbeit verschaffen (von einem positiven Budget ganz zu schweigen) – eine ÖVP-Website (der man sicher nicht unkritisch Glauben schenken darf, aber man bekommt doch eine Idee von der Dimensionen) spricht von etwa 100 Milliarden Eurösen weniger Schulden. Und wenn man jetzt die Versprechen aus Gruselbauers Mund hört, dann fragt man sich doch, wie er diese finanzieren will – das Budget bietet wohl kaum Spielraum dafür; bleibt für mich als außenstehenden Laien also nur noch mehr Defizit. Und, zumindest das haben wir von Kreisky gelernt, Schulden machen ist zwar jetzt super, in zwanzig Jahren (wo die meisten von uns wahrscheinlich noch immer in Österreich Steuern zahlen werden) aber weniger. Nun ja …

Bleibt noch die Parole "Gerechtigkeit für alle", die von roten Plakaten leuchtet. Okay, das österreichische Sozialwesen lebt nun mal davon, dass die Besserverdienenden zumindest teilweise für die Schlechterverdienenden aufkommen – aber ganz egal, wie man dazu steht, das Wort "Gerechtigkeit" darf man in diesem Zusammenhang, meiner bescheidenen Meinung nach, nicht verwenden. Davon könnte man vielleicht reden, wenn jeder die gleichen Steuersätze zu zahlen hätte – das das unglücklicherweise nicht realisierbar, ist aber sogar mir klar. Eine weitere Umschichtung von Wohlhabend auf weniger Wohlhabend ist aber auch keine Option – noch ist diese eine halbwegs freie Marktwirtschaft, wo grundsätzlich mal jeder selber schaun soll, wo er oder sie bleibt. Mag sein, dass das ziemlich radikal klingt, aber für mich wäre dies "gerecht" oder "fair".

Nun glaube ich natürlich nicht, dass in den nächsten Jahren einer SPÖ-Regierung unser schönes Land vor die Hunde regiert wird – trotzdem würde eine schwarz-geführte Regierung bestimmt bessere Arbeit machen. Ob eine bekannte rot-schwarze Stillstandsregierung besser ist, sei aber auch dahingestellt.

5 Gedanken zu „Was ist nur passiert?“

  1. Ich will zu Denken geben, dass Schüssels Wirtschaftspolitik im Ausland ebenfalls gelobt wurde, aber gleichzeitig die Wahlniederlage unter anderen daran festgemacht wurde, dass er dafür den Mittelstand bluten ließ, dem es vorher auch schon nicht so gut ging. Nichts gegen gute Wirtschaftspolitik, aber wenn man sie zu Lasten der Mittelschciht und zum Wohle der Großkonzerne (die derzeit im frühkapitalistischen Heuschreckenstil unterwegs sind, der nicht gerade förderungswürdig ist) betreibt, braucht man sich nicht wundern wenn man bestraft wird. Und offensichtlich war die eigene Wählerbasis auch nicht mehr ganz so überzeugt von dem Kurs, sonst wäre sie nicht zu Hause geblieben. Die Ausrede mit den hohen Umfragewerten zieht einfach nicht.

    Die schwarze Wirtschaftspolitik hat einfach zu sehr die Großen beglückt, während die kleinen durch die Finger schaun durften, und das Phänomen der atypisch Beschäftigten hat man einfach ignoriert. Deficite Spending ist wahrlich keine langfristige Lösung, aber wenn man schon spart, dann dort wo es Nutzen macht. Gripen statt Eurofightern, weniger Bürokratie, weniger Bagatellsteuern bei denen die Verwaltung mehr kostet als die Einnahmen, etc. und nicht stattdessen die Kassen weiter verbürokratisieren und dann höhere Beiträge verlangen, oder dem eh schon veralteten Schulsystem und den Unis mit zuwenig Höhrsälen, Materialien und Professoren den Hahn abdrehen. Die Gewichtung hat einfach nicht gepasst, man war sozial zu kaltherzig. Die Kompetenz wäre vielleicht da gewesen (auch wenn das bei manchem Postenschacher nicht berücksichtigt wurde), wohl wurde der Gaul aber vom falschen Ende aufgezäumt.

  2. this is the end of Austria as we know it!

    Weile zur Zeit im fernen Stuttgart. Hier wird man (nicht wegen des österr. Akzents – welcher als Erkennungszeichen gilt – sondern wegen der ungewissen politischen Zukunft) von jedem sofort und zu Recht bedauert! Gestern hat mich z.B. beim Schlecker ein älterer Herr an der Kasse angesprochen: "Jüünger Mann, gebe se noch schnell s’Geldle aus, bevor sches de Sozis wida gegnehme". Und auch in der großen, "blauen" Versicherung ist man blank vor Schreck und sieht und Österreicher nun noch suspekter …