Meine Zukunftsvision

Grad hab ich ein sehr schlechtes Buch von „dem“ „Trend- und Zukunftsforscher“ Matthias Horx beendet und konnte es nicht verhindern, selber über die Zukunft nachdenken zu müssen; oder besser gesagt: Über eine mögliche bessere Zukunft.

Jedenfalls ist diesmal mein Nachdenken ungewöhnlich langatmig (und links-neoliberal) …

Bekanntlich bin ich ein ziemlich pessimistischer Mensch und mache mir daher auch, in bester österreichischer Manier Sorgen über die Zukunft („Ois wird schlechta, früha war sowieso ois besser“) – weniger über meine eigene, als über jene der Gesellschaft ganz allgemein. Zwar weiß ich sehr wohl, dass es früher wahrhaftig nicht besser war, aber ich kann auch nicht den unbeugsamen Glauben an eine bessere Zukunft eines Matthias Horx teilen (von seiner Begeisterung über die Stadt Wien ganz zu schweigen, aber dazu vielleicht ein andermal mehr).

Seit Jahrzehnten versucht die Obrigkeit den diversen Problemen (nennen wir das einmal so) in unserer Gesellschaft mit immer mehr Regeln, Verordnungen und Strafen beizukommen (aktuelles Beispiel ist die Diskussion in Deutschland um die Strafverschärfungen für Jugendliche nach den brutalen Überfällen auf die zwei Rentner). Mehr und strengere Gesetze geben zwar offensichtlich nicht nur mir ein sichereres Gefühl (mit brutalen Überfällen hab ich ja schon meine eigenen Opfererfahrungen sammeln dürfen), aber ich fürchte, dass dieses sehr trügerisch ist. Und dass mehr Regeln und folglich mehr Strafen niemanden davon abhalten, „böse Dinge“ zu tun – denn Strafen gibt es auch jetzt schon in allen Variationen, und ob jetzt zwölf Monate statt zwei im Gefängnis den großen Unterschied machen, wage ich zu bezweifeln.

Aber wenden wir uns jetzt mal von diesen wirklich schlimmen Dingen ab und den kleinen im Alltag zu. Bestes Beispiel ist da für mich die ständig zunehmende Regulierung im Straßenverkehr. Jedes Kuhdorf mit fünf Einwohnern und sieben Misthaufen muss heutzutage eine Verkehrsinsel an der Ortseinfahrt haben (um damit die Fahrer zu zwingen, langsamer zu werden), selbst die allerkleinste Kreuzung muss mit Unmengen Schildern und Ampeln reglementiert werden. Mittlerweile beschwert sich eh schon jeder über den unübersichtlichen Schilderwald, wo zu allem Übel unter jedem Schild noch zwei, drei kleine Tafeln montiert sind, die eine Menge Ausnahmen und Einschränkungen aufzeigen und endgültig zur Verwirrung beitragen – aber passiert ist dagegen noch nichts. Und es scheint immer nur mehr zu werden.

Im krassen Gegensatz dazu steht ein holländischer Versuch, wo an einer Kreuzung kurzerhand alle Schilder und Reglementierungen abgeschafft wurden. Wer das absolute Chaos erwartete, lag falsch: Jeder fuhr langsamer (und sicherer), was im Endeffekt sogar dazu führte, dass der Verkehr erheblich flüssiger und flotter war.

Ich glaube, dass sich dies fast 1:1 auf die Gesamtgesellschaft übertragen lässt: Wenn man den Menschen die Scheuklappen abnimmt und ihnen wieder etwas mehr Verantwortung überlässt, wird sich das über kurz oder lang positiv auf und für alle auswirken. Der Staat (ich rede absichtlich nicht von der Politik) hat die unangenehme Eigenschaft, seine Bürger wie kleine Kinder zu behandeln, ihnen jegliche Verantwortung abzunehmen (Tolles Beispiel: Kranken- und Pensionsvorsorge) und wundert sich dann, warum sie plötzlich immer weniger Eigeninitiative zeigen und für die kleinsten Dinge des Lebens an der Hand geführt werden wollen und müssen (und voller Angst Zeter und Mordio schreien, wenn dem mal nicht so ist).

Ich finde, der Vergleich mit Kindern ist wirklich passend, denn die ganze Situation erinnert mich köstlich an einen meiner Mitbewohner. Bis er zwanzig war, lebte der von Mutter über alles wohlbehütet im elterlichen Haus. Alles wurde ihm vorgeschrieben, vorverboten und -gelebt – so auch zum Beispiel die maximale tägliche Dosis, die er WoW spielen durfte. Wen wundert es dann, dass jener Mitbewohner, sobald er die ersten Tage weg von Mutters Rockzipfel in der eigenen Wohnung war, Tage und Nächte ununterbrochen vor dem Computer saß? Mittlerweile hat er sich aber an diese anfänglich so ungewöhnliche Freiheit gewöhnt und die Zeit, die er WoW zockt, schön selbstständig unter Kontrolle. Dass er das auch irgendwann mit dem Dreck und dem Müll, den er in Bädern und Küche hinterlässt, schafft, ist meine Hoffnung. Denn nur unmündige Kinder lassen zB die Verpackung ihrer Zahnbürste wochenlang einfach herum liegen (so lange, bis es halt jemand anders weg räumt) – hätte er schon von Kindesbeinen an Eigenverantwortung in der Entsorgung seiner Hinterlassenschaften gehabt (und wäre ihm das nicht von Mami abgenommen worden), sähe die Situation ganz anders aus. Und so wie das mit den kleinen Dingen einzelner Menschen funktioniert, funktioniert es auch mit den größeren in der Gesellschaft – dass uns Mutter Staat bei allen Entscheidungen und Sorgen helfen will, ist zwar wahrscheinlich recht lieb gemeint, aber halt auch schädlich für uns selbst.

Jetzt glaube ich natürlich nicht, dass es ganz ohne Regeln und Gesetze funktioniert (denn das wäre Anarchie und die ist alles andere als produktiv) – auch selbstständige, eigenverantwortliche Kinder brauchen ja einen gewissen Rahmen, in dem sie „funktionieren“ (dieser sollte natürlich so groß wie nur irgend möglich sein). Man wird zB nie ohne Polizei auskommen können, denn es gibt immer Menschen, die sich nicht in die Gesellschaft einfügen können oder wollen. Aber ich glaube, dass es tatsächlich sinnvoll wäre, wenn der Staat seinen Bürgern wieder Stück für Stück Verantwortung zurückgeben würde (bitte, bitte, lieber Staat, lass doch zB jeden selbst entscheiden, wo er sich versichern und wie viel Geld er dafür ausgeben mag; Pflichtversicherung ist ja okay, aber ich mag mein sauer verdientes Geld nicht in den Rachen eines überbürokratisierten, ineffizienten Molochs stecken, wo ich es nie wieder sehe). Sicher wäre das am Anfang eine enorme Umstellung für uns und es wird bestimmt nicht ganz reibungslos ablaufen, aber langfristig ist das wohl der einzige Weg – denn immer mehr Regeln und immer mehr Gesetze (und Überwachung) führen definitiv nicht zu einem guten Ende, sondern bestenfalls in eine phantasielose, unkreative, langweilige, vorhersehbare Welt und schlechtestenfalls in eine faschistische Quasi-Diktatur ohne jedes Mitspracherecht. Und dann können wir zu recht jammern und sagen „Früha war ois bessa“.

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