Projekttagebuch: Die Neuen

Als sich nach letztwöchiger großer Ankündigung des neuen Projekttagebuches dann doch ein paar Tage nichts getan hat, hatte ich schnell ein paar erboste Anrufe auf der VoiceBox sowie ein zwar schwarze Flecken im Briefkasten (wer weiß wovon ich rede hats drauf).
Aber: Wie kann ich was schreiben, wenn kein Projekt war? Wie kann ich neue schockierende Details veröffentlichen, wenn noch gar nichts passiert ist? Na? Na!?! Glaubt ihr etwa, ich denke mir das alles aus und zieh mir Geschichten aus den Fingern um euch Peons mit billiger Satire zu unterhalten? Pah!!

Hagenberg, am 23 Oktober 2004

Die Zusammensetzung unseres Projektteams hat sich gegenüber dem letzten Semester ein bisschen geändert. So wurde gegen Projektleiter Schweighofer geputscht, er darf sich jetzt mit dem netten Titel Janitor (in IT Projekten werden ja bekanntlich nur englische Phrasen verwendet, um für Außenstehende die Trivialität zu verschleiern) schmücken. Die absolute Macht hat nun Projektleiterin Wolf, ein kleines unscheinbares Persönchen, aber mit dem Ehrgeiz von Hitler, der Skrupellosigkeit von Stalin und der Verrückheit von Reinhold Messner – man könnte sie auch als den George W. Bush des Mühlviertels bezeichnen. Projektleiterin Wolf hat zwar nicht die verzerrt zuckende Visage von Schweighofer oder die koboldig gaunerhaften Gesichtszüge von Kartusch, sie scheint aber nicht weniger bösartig zu sein.
Neben Wolf, Schweighofer und meiner Wenigkeit ist nur noch Madame Kern von der alten Projektgruppe verblieben. Neu dazu gekommen sind ein gewisser Pendlmayr und eine gewisse Pichler, beides ganz offensichtlich verhasst bei allen Studenten und gerne auf eine Stufe gestellt mit palästinenschen Selbstmordattentätern. Gerade gestern habe ich an einer Toilette einen eingeritzten Limerick entdeckt, aus dem eindeutig hervorgeht, dass dieser Pendlmayr gerne kleine Kinder isst und die Pichler eingefleischte Atomkraftbefürworterin sowie Naturschutzgegnerin der ersten Stunde ist und des Mordes an vier führenden Greenpeace und WWF Aktivisten verdächtigt wird.
Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass unser Projektteam ein psychosoziales Experiment darstellen soll, mit dem bewiesen wird, dass es durchaus möglich ist, einige Insaßen geschlossener Anstalten zusammen mit Kindermördern, Sodomiten und mir zum Mars zu schicken.

Auf ein Neues …

Da, wider mein Erwarten und entgegen aller Unkenrufe, mein Blog doch lesenswerter ist als gemeinhin (und vor allem von mir) angenommen, habe ich mich dazu entschieden, wieder ein Tagebuch zu beginnen; viele Leute haben mich angeredet/angeschrieben/angeschrien, mich dahingehend aufgefordert und mich ihres Wohlwollens versichert.
Da trifft es sich gut, dass heuer wieder ein neues Projekt mit neuem (bzw. teilweise neuem) Projektteam auf dem Studienplan steht. Und ich bin mir sicher, dass in diesem abgelegenen Örtchen Hagenberg mit den vielen seltsamen Menschen genug passieren wird, dass ein neues Tagebuch gerechtfertigt.

Trotzdem nehme ich eine so wichtige und schicksalsschwere Entscheidung nicht auf die leichte Schulter. Um dort weiterzumachen wo ich aufgehört habe, musste ich mich wieder an meinen alten Stil erinnern und meine alten Tagebücher lesen.
So bin ich heute auf den Dachboden gestiegen, über Unmengen alterwürdiger Artefakte vergangener Epochen geklettert bis ich vor dieser verstaubten, eisenbeschlagenen, alten Seemannskiste stand. Der Deckel öffnete sich nur unter lautem Krachen und Knarzen, aber dann hatte ich den Schatz meiner Jugend vor mir: In pinkes Leder gebunden, mit süßen Häschen und Kätzchen verziert, lagen fein säuberlich gestapelt alle meine bisherigen Tagebücher, Kleinode aus einer anderen Zeit. Zwar waren die Seiten schon vergilbt und abgegriffen vom oftmaligen Umblättern, aber die Schrift war noch so gestochen klar wie am ersten Tag. Ich zündete vorsichtig ein Teelicht an, wickelte mich in eine alte Decke und began zu lesen in diesen verträumten Geschichten aus längst vergangenen Tagen, die schon so viele Menschen verzaubert hatten …

… bis ich Minuten später diese Machwerk des Teufels, geschrieben auf der Haut von Menschen mit der Galle von Schlangen und dem Ausfluss von Skorpionen, angeekelt in die Kiste zurück warf. Alles nur Lügen und Heuchelei, was da in meinen alten Tagebüchern stand! Ich muss mich entschuldigen, ich weiß nicht in welchem abartigem Rausche ich mich befand als ich diese kranke Geschreibsel niedergebracht habe.

Doch ich versichere hiermit: Dies wird nicht noch einmal passieren! Mein neues Projekttagebuch wird nur mehr die Wahrheit und nichts als die reine Wahrheit enthalten. Bei meiner Ehr‘.