Goodbye, 2006

Eigentlich wollte ich ja eine schöne Neujahrsgeschichte (von einer Weihnachtsgeschichte ganz zu schweigen) schreiben, aber es fehlte mir überraschend an zündenden Ideen für etwas ganz Neues – und in die üblichen Niederungen von peinlich überzeichneten Sex- oder Gewaltweihnachtsgeschichten begebe ich mich in meinem fortgeschrittenen Alter nicht mehr. Und 2006 war zwar ein enorm turbulentes und ereignisreiches Jahr für mich und mein Weblog, Jahresrückblicke gibts aber auch schon genug.

Daher wünsche ich dem geneigten Leser und der bezaubernden Leserin ganz spießig und normal ein gutes neues Jahr 2007. Sei zufrieden.

Mein Senf zum Kindergeld

Das Kindergeld (436 Euro im Monat – ein hoher Wert im internationalen Vergleich) sei zu wenig, um davon zu leben, meint so mancher und schreibt der Standard.

Auch ich war mehr als überrascht, eher schockiert, als ich erfuhr, dass es nicht genügt, ein neues Leben in die Welt zu setzen, um vom Staat die nächsten drei Jahre durchgefüttert zu werden! Ein Baby ist doch tatsächlich nicht genug, um eine ganze Familie zu versorgen – es muss, Asche aufs Haupt unseres Sozialstaats, vielleicht doch ein Elternteil auch weiterhin für Geld arbeiten! Ein Kind finanziert sich, wer hätte damit gerechnet, allen Anscheins nach nun doch nicht von allein und automatisch! Wie konnte es so weit mit uns kommen? Was für ein Skandal, das der stets unabhängige Standard hier so heroisch aufdeckt – hoffentlich geht bald ein revoltierender Aufschrei durch die hungernden Massen geplagter Österreicher.

Neben dieser erschreckenden Erkenntnis verblasst sogar die Nachricht, dass die Türkei Österreich dreckig ins Gesicht grinst und lieber amerikanische Joint Strike Fighter kauft an Statt von Eurofightern. Hundert Stück übrigens, nicht mickrige achtzehn, die kaum der Rede wert sind. Wär auch interessant zu wissen, ob da auf politischer Ebene genauso kindisch propagandistisch herumgezickt wird wie in Österreich. Kein Wunder jedenfalls, dass nur fünf Prozent für einen EU-Beitritt der Türkei sind.

Die WG-Tagebücher

In vollkommener Verachtung meines letzten Eintrags folgt doch tatsächlich ein neuer …

Geliebtes, vernachlässigtes Tagebuch,

seit zwei Wochen lebe ich nun schon in meiner neuen Wohngemeinschaft in Linz. Alles ist super.

Soweit der offizielle Teil, den auch Amnesty International und die Foundation für Recht und Verfassung zu lesen bekommt. Aber dir, mein heißgeliebtes Tagebuch, werde ich die Wahrheit beichten: Seit 20.160 qualvollen Minuten kämpfe ich in dieser Abu-Ghuraib-Außenstelle im Herzen eines Ghettos ums nackte Überleben. Ich lebe in einer dunklen, stickigen Zelle von knapp einem Quadratmeter zwischen Gasbrenner und Warmwasserboiler, meine einzigen Freunde sind ein stinkender Staubsauger, ein schimmliger Besen und eine Gang brutaler Silberfischchen. Mein Badezimmer, gleichzeitig auch meine Toilette, ist ein kleiner Blechkübel, den ich mir mit einem unfreundlichen Rattenpärchen teilen muss.

Es wohnen noch vier weitere "Menschen" in unserer WG – Menschen deshalb unter Anführungszeichen, weil die Worte "Bestien" oder "Tiere" viel passender wären – dazu aber ein andermal mehr, denn derzeit muss ich mich gut mit meinen "Mitbewohnern" (besser wäre hier "Wärter") stellen, denn die kleine Tür in mein Zimmerchen hat seltsamerweise nur außen einen Türgriff. So muss ich jedesmal klopfen und rufen, wenn mein Badezimmer randvoll ist und geleert werden muss und meine WG-Kollegen machen sich so manchen Jux daraus, mich den einen oder anderen Tag heiser und wund geklopft schmoren zu lassen. Ich weiß gar nicht mehr, wie es überhaupt gekommen ist, dass ich zugestimmt habe, für diese doch eher rustikale Absteige knapp zwölfhundert Euro Miete pro Monat hinzublättern … aber jetzt ist der Vertrag schon für die nächsten fünfzehn Jahre unterschrieben und im Vergleich zur Wohnungssuche ist meine Zelle sogar richtig angenehm.

Auf bald, mein innig geliebtes Tagebuch.

Aktualisierung*

Selbstredend bin ich mir des Mangels an neuen Weblog-Einträgen bewusst – auch wenn 2006 bisher das einträglichste** Jahr seit Bestehen meines Weblogs ist. Dieser Mangel liegt aber nicht, wie so manches Schlitzohr wohl behaupten mag, am Mangel von Ideen – mitnichten! Ich sprudele derzeit geradezu über mit solchen und habe schon fleißig Notizen zu zukünftigen Einträgen zu Pornografie, Toilettensitzen, Tokio Hotel, alten Menschen und vielem mehr zusammengetragen.

Ich habe derzeit einfach zu wenig Zeit. Im Gegensatz zu so manchem Schmierfinken oder so mancher Schmierfinkin kritzele ich meine Einträge ja nicht während der 3-Minuten-Klopause im SMS-Stil hin, sondern brauche oft mehrere Stunden bis ich halbwegs mit Grammatik und Ortographie zufrieden bin. Und diese Stunden fehlen mir in Zeiten von Umzug und Softwarereleaseterminen einfach. Die wenige Nettofreizeit (abzüglich Schlaf also) wird für Freundin, Fitnessstudio und krankhafte Masturbation gebraucht. Erschwerend kommt hinzu, dass es in der neuen Wohnung noch keine zuverlässige Internetanbindung gab (bis gestern) – die Servicequalität diverser offener WLAN in Nachbarwohnungen oder von gegenüber der Straße ist geradezu schockierend schlecht.

Daher wird sich auch in absehbarer Zeit nichts am rinnsalähnlichen Zufluss neuer Einträge ändern, die Zeiten der täglichen Aktualisierung sind – zumindest vorübergehend mal – vorbei.

* Die einzige vernünftige Übersetzung, die dict.leo.org zu "Update" liefert; dass ich ein deutsches Wort nehmen muss, ist liegt wegen der denglischen Übermacht im Internet ja auf der Hand.
** Auf dieses Wortspiel bin ich ganz besonders stolz. Ich hoffe, es ist aufgefallen.

Europäischer Tag der Gesundheit und Sexualität

Heute ist der Europäische Tag der Gesundheit und Sexualität, schon seit Samstag diskutieren 2.000 Notgeile Experten zu diesem Thema. Gesundheit wird natürlich außen vor gelassen, man redet nur übers Ficken (jaja, ich weiß, irgendwer hat mal behauptet, dass Sexualität nicht nur aus Sex an sich besteht, aber das muss mir erst mal jemand beweisen). Jedenfalls wird auf die schockierende Entwicklung hingewiesen, dass auch immer mehr jüngere Leute weniger Lust auf Sex verspüren – bei alten ist das ja okay und kein Thema. Folgende Probleme sind dabei die häufigsten:

Mit 32 Prozent Häufigkeit zeigen eklatanterweise gerade 18- bis 24-jährige Frauen am häufigsten Zeichen von Libidoverlust. Über Orgasmusstörungen klagen 28 Prozent der 18- bis 24-jährigen Frauen, 28 Prozent der 25- bis 34-Jährigen und 23 Prozent aus der Altersgruppe zwischen 45 und 59.

Bei den Männern leiden um die 14 Prozent im Alter zwischen 18 und 44 Jahren an Libidoverlust, etwa 30 Prozent an Ejaculatio praecox, etwa 18 Prozent an Versagensängsten beim Sex und zwischen sieben und 17 Prozent an Erektionsstörungen.

Und tatsächlich, die Macher jener Studie gingen äußerst sorgfältig vor, denn sie passt wie die Faust aufs Auge (beziehungsweise besser, denn so gut passt die Faust da gar nicht): 14 Prozent meiner Sexualprobleme bestehen aus dem Verlust der Libido, zu 30 Prozent macht mir Ejaculatio praecox und zu 18 machen mir Prozent Versagensängste zu schaffen; von den Erektionsstörungen (17 Prozent) möchte ich erst gar nicht anfangen. Die restliche Zeit (21 Prozent), wenn wider Erwarten mal doch alles hinhaut bei mir, klagt meine Freundin über Libidoverlust und Orgasmusstörungen. Also total normal, alles …

Gründliche Grundsicherung

Mit tiefer Sorge habe ich die Entwicklungen bei den Koalitionsverhandlungen im Allgemeinen und das Gerede über die Grundsicherung im Besonderen verfolgt. Während des Wahlkampfes hat die SPÖ diese ja als neues Buzzword entdeckt und vollmundig das "Grundeinkommen für jeden" angekündigt. Für mich als (doch ziemlich schwer) arbeitenden Menschen ist dies natürlich ein Graus, denn so kriegt es das faule, arbeitsscheue Gesindel noch mehr überall reingestopft als bisher. Warum "soziale Gerechtigkeit" grundsätzlich schlecht ist für Österreicher, die arbeiten für ihr Geld, habe ich sowieso noch nicht ganz verstanden … egal jetzt. Jedenfalls ist nun anscheinend die ÖVP auf SPÖ-Linie geschwenkt und unterstützt eine Grundsicherung von 726 Euro vierzehnmal im Jahr. Doch, siehe da, die SPÖ meint jetzt auch plötzlich, dass diese Grundsicherung natürlich an genaue und strenge Bedingungen geknüpft ist ("für jeden" ist wohl bei der feucht-fröhlichen After-Wahl-Party verloren gegangen).

Mir ist das natürlich äußerst recht und ich habe mir auch schon Gedanken gemacht, was diese Bedingungen denn sein sollten:

  • Man darf keine sonstigen Förderungen oder Unterstützungen von öffentlicher Hand bekommen (dazu zählen auch Familien- und Studentenbeihilfe, Kindergeld oder Stipendien)
  • Man darf über keinerlei nennenswerten Vermögenswerte verfügen.
  • Man muss mindestens einen akademischen Titel vorweisen können.
  • Man muss arbeitswillig sein, selbstverständlich auch nicht arbeitslos.
  • Man muss das Witzchen "1 + 1 = 10" verstehen und genau jetzt leicht grinsen, während man diesen Zeilen liest.
  • Man muss ein rotes deutsches Auto fahren, optimalerweise einen VW Vento namens Malik.

Diese etwas strengere Regelung hat auch den angenehmen Nebeneffekt, dass sich die Finanzierung der Grundsicherung relativ angenehm in die Bilanz einfügt. Ich erwarte in Kürze den ersten Scheck von unserem Sozialministerium, ich hab ihn mir ja auch redlich verdient.