Von Nachfragern und Annehmern

Als psychologisch hervorragend geschulter Menschenbeobachter (ab und zu liegt eines der Psychologieskripte von S. herum, daher bin ich zweifelsohne mehr als qualifiziert) habe ich ein neues Unterscheidungsmerkmal der Mitglieder der Spezies Mensch Terraner ausfindig gemacht. Noch läuft die Suche nach dem zuständigen Gen (so wie man heutzutage für alles ein eigenes Gen verantwortlich macht), aber ich traue mich schon jetzt, meine gewagte Theorie zu publizieren:

Es gibt Menschen, die sofort und mehrmals nachfragen, wenn sie etwas akustisch nicht verstanden haben – ich nenne diese „Nachfrager“. Dann gibt es diejenigen, die versuchen, das Nicht-Verstandene aus dem Kontext zu erraten um so nicht extra nachfragen zu müssen – das sind die so genannten „Annehmer“. Letzteres kann zwar hin und wieder zu kleineren Missverständnissen führen, erstes aber fast immer zu gereizten, unfreundlichen Antworten, wenn eine Aussage zum dritten Mal wiederholt werden muss. Der geneigte Leser darf erraten, zu welcher Gattung ich gehöre bzw. mich bemühe zu gehören.

Natürlich spricht gar nichts dagegen, wenn man ein freundliches „Wie bitte?“ ins Gespräch einwirft, sollte man einmal eine hingenuschelte Aussage nicht verstanden haben – überhaupt kein Problem. Nur wird bei bestimmten Menschen das Nachfragen zu einer für alle anderen unangenehmen Angewohnheit. Denn oft versteht man zB ein einzelnes Wort nicht, die fehlende, zweifelsfreie Bedeutung ergibt sich aber sofort durch die nachfolgenden oder von alleine nach einer Zehntelsekunde Nachdenken („Sickern lassen“). Wenn man jetzt aber dem anderen sofort immer ins Wort fällt, hat man gar keine Zeit, von alleine zur Erkenntnis zu kommen, sondern man zwingt seinen Gegenüber dazu, von vorne zu beginnen, was diesen verständlicherweise schnell frustriert und Spannung ins Gespräch bringt.

Ich rufe also hiermit alle Dauernachfrager zu etwas mehr Annehmen und Aus-Dem-Kontext-Verstehen auf. Danke für die Aufmerksamkeit.