Eine Frage der Ehre oder des Anstands?

Erneut wage ich mich auf wackliges, tabuisiertes Terrain – doch ich denke, es muss einmal Klartext darüber geschrieben werden … der geneigte Leser und die bezaubernde Leserin werfen nun bitte ihre Phantasie an:

Stell dir vor, du bist auf einer dieser kleinen Partys in der neuen Wohnung eines alten Freundes, in denen es meistens stinklangweilig ist, in denen jeder nur herumsteht und sich fragt, wann er endlich heimgehen kann, ohne den Gastgeber zu beleidigen. Alle Smalltalk-Themen wurden bereits in den ersten Minuten aufgebraucht und das ganze Szenario stagniert – meistens weil der Gastgeber, so gut er es auch meint, einfach vergessen hat, die passenden und/oder genügend Spirituosen einzukaufen.

Aber auch von der miesesten Melonenbowle musst du mal aufs Klo. Der erste Blick in die Schüssel lässt dich jedoch schockiert zurückschrecken, denn es prangt eine riesige, allesverzierende Bremsspur in grellstem Hellbraun in der ansonsten blitzweißen Schüssel. Äußerst peinlich berührt erledigst du dein kleines Geschäft (erneut zeigt sich hier übrigens der evolutionäre Vorteil des Mannes), beim Spülen ergibt sich aber ein Problem: Erwähnte Bremsspur widersetzt sich tapfer und ehrlich gesagt nicht unerwartet dem oberflächlichen Wasser. Erschwerend dazu kommt, dass bereits der nächste Toilettenbesucher verkniffen an die Tür klopft. Nun bleiben dir, dem zivilisierten Menschen, nur mehr zwei Möglichkeiten:

  1. Du kämpfst gegen deinen überwältigenden Ekel an und setzt ausführlich den beiliegenden Klobesen ein, um die fremde Spur zu beseitigen – du kannst ja nicht zulassen, dass der Nachfolger annimmt, dass die ekelhaften Reste von dir sind.
  2. Du ignorierst die fremde Hinterlassenschaft und übergibst damit das Problem unverändert an deinen Nachfolger, denn du bist man ja nicht dafür verantwortlich – selbstverständlich nimmst du aber damit in Kauf, dass du zukünftig als Toilettenbschmutzer und Resteüberlasser tituliert werden könntest.

Keine leichte Situation – kaum eine andere gibt besser Aufschluss über das Wesen eines Menschen: Entweder man ist Konformist und Mitläufer, dem die Meinung der Gruppe wichtiger ist als eigenes Unbehagen, oder selbstbewusster Nonkonformist, dem vollkommen egal ist, was andere über ihn denken.

In Erwartung deiner ehrlichen Meinung in Kommentarform schließe ich nun und mache mich auf den Weg nach Kleinzell, zum legendären Sommernachtsfest.

5 Gedanken zu „Eine Frage der Ehre oder des Anstands?“

  1. hm entweder 1 oder 2 – bei 2 jedoch sollte man entweder seinem Nachfolger oder der gesamten anwesenden Gruppschaft sagen, dass die Bremsspur schon vorher da war.

  2. Die Geschichte erinnert mich an die WCs in den uralt Zügen, wo ein Schild hängt "Bitte verlassen Sie das WC so wie Sie es vorfinden möchten." Da denk ich mir jedes Mal, dass ich jetzt sicher nicht das ganze WC putzen und renovieren werde…
    Aber zurück zum Partyklo: Als alte Weltverbessererin würd ich dort den Dreck wegmachen, auch wenn er nicht von mir ist.

  3. Ich würde die Toilette mit den folgenden Worten verlassen: "So a Noa, da hat doch glatt jemand seine Bremsspur hinterlassen", oder: "Schauts euch die Sensation an, soooo a Bremsspur, welcher Noa die wohl hinterlassen hat" – womit man sich bei so Manchem erst recht verdächtig machen würde, jedoch die Chance wahren würde, zu einer Legende zu avancieren oder, falls man dieses Prädikat schon sein Eigen nennt, den Anspruch auf das eben erwähnte (und von meinem Chef und mir inflationär gebrauchte) Prädikat zu zementieren.

    An alle Monk – Fans gebe ich den Rat, in so einer Situation zu bedenken, was Adrian Monk in einer solchen Situation wohl aufführen würde …