Das Titelsyndrom

In letzter Zeit bin ich mit genug Ärzten in Berührung gekommen, um deren Titelfixiertheit (und vor allem die ihrer Ordinationsgehilfinnen) genauestens studieren zu können:

Ganz nett ist es ja noch beim Röntgenarzt, wenn nach einer "Frau Hintringer Trude" ein gewisser "Herr Diplomingenieur XXXXXXXXXX" aufgerufen wird. Aber dort kommt man ab und an sogar noch in den Genuss eines seltenen "Herr XXXXXXXXXX". In solch gepflegter Umgebung bekommt man auch noch den ehrfürchtigen Blick einer Mitt-Siebzigerin mit (übrigens das genaue Gegenteil jenes Blickes, den selbige Frau der ein paar Minuten vor mir aufgerufenen "Frau Özgür Chemala" zuwarf).

Schlimmer Anders lief es beim Augenarzt. Nach dem zweiten oder dritten "Herr Diplomingenieur XXXXXXXXXX" hab ich die äußerst nette Dame darauf hingewiesen, dass der Titel unnötig ist – ab diesem Moment war ich für sie nur mehr "Herr Diplomingenieur" – den Namen erachtete sie fürderhin als unwichtig.

Beim praktischen Arzt war ich sowieso immer nur der "Herr Diplomingenieur". Über die Schwere der Titelsucht bin ich mir aber erst ganz bewusst geworden, als ich einen kurzen Blick auf eine Überweisung warf – unter "Nachname" stand dort, ganz richtig, "XXXXXXXXXX", unter "Vorname" jedoch "Dipl.-Ing." … mein Vorname stand übrigens nirgends.

6 Gedanken zu „Das Titelsyndrom“

  1. DI Hannes Sachsenhofer… klingt doch nett – und wohl auch verdient. Ein Nichtsnutz wie ich muss sich hingegen mit diversen Pseudotiteln wie zb. "Master of desaster" oder "sexmashine" begnügen, dabei wär ich doch auch so gern wichtig 🙁

  2. DI Hannes Sachsenhofer… klingt doch nett – und wohl auch verdient. Ein Nichtsnutz wie ich muss sich hingegen mit diversen Pseudotiteln wie zb. "Master of desaster" oder "sexmashine" begnügen, dabei wär ich doch auch so gern wichtig 🙁

  3. Ich glaub, das Ganze dient nur der Selbstbeweihräucherung so à la "Seht her, was ich für wichtige Patienten hab" (obwohl das ja eigentlich unwichtig ist, weil der Arzt ja selber Dr. ist). Ich mache ähnliche Erfahrungen nur bei meinem Friseur im fernen Linz, wenn die Chefin des Salons quer durch alle Räumlichkeiten und über alle störenden Haartrockner-Geräusche hinweg mir zuruft: "Frau Magister, Sie können schon hier Platz nehmen und, Frau Magister, wollen Sie gleich einen Kaffee haben?" (bevor sie sich dann auf mein Nicken hin zu einer der Lehrlinge umdreht um nochmals laut zu sagen: "Geh [Name], bring der Frau Magister einen Kaffee!")

    Deine Ärzte-Erfahrungen kann ich hingegen nicht teilen – liegt wahrscheinlich daran, dass Sprechstundenhilfen in der Hauptstadt verwirrt sind, wenn sie ausnahmsweise bei einem Namen völlig sicher sind, wie sie ihn aussprechen müssen, und dann der Titel einfach untergeht.

  4. Beim Friseur stell i mir das lustig vor, vor allem wenns einer is, bei dem man schon lange ist):

    (Vor 15 Jahren): Jo griaß di Andie, bist aber wieder gwachsn. Sitz di her, magst vielleicht an Saft?

    (Gegenwart): Frau Magister, wollens vielleicht einen Schnaps zum Kaffee?