Auf der Baustelle

Gestern war ich zum Behufe des Büroumzugs auf der Baustelle, in der wir ab morgen arbeiten sollen – die Büros sind innen zwar schon sehr schön und stylisch, aber das Drumherum am Gebäude ist stellenweise noch arg im Argen.

Zusammen mit uns waren noch mindestens zwanzig andere Firmen am Werk; von Malern, über Elektriker, über Betonwagenfahrer, über Wirtshausausstatter bis hin zu Putzfrauen und noch eine ganze andere Menschen, deren Funktion ich mir nicht einmal vorstellen kann, gab es alles – es wuselte wie in einem Ameisenhaufen. Bis auf den obligatorischen Malerlehrling und den Chefelektriker gab es wohl keinen einzigen Handwerker österreichischer Abstammung, oder wie es der gute W. so schön sagt: "Eh, Mirko, hassu großes Schere mit?" – "Für was brauchtma?" – "Na für Abzwicka".

Um die Tonnen an Büromaterial, die wir tags zuvor sauber in Schachteln verpackt hatten, vom alten ins neue Büro zu bringen, engagierten wir eine Lieferfirma: Geführt von einem waschechten Linzer trabte um halb Sieben in der Früh eine Fünfertruppe Tschetschenen (oder so) an. Mit einem von ihnen hatte ich ein aufwühlendes Erlebnis:

Der Lift war natürlich noch nicht in Betrieb und als einer der Tschetschenen unser Trum von Laserdrucker sah, dass in den vierten Stock sollte, meinte er nur "Gehta ned". "Sicha gehta" wollte ich ihn noch überreden, er verschränkte aber die Arme, schüttelte energisch den Kopf und behauptete weiter fest "Gehta sischa ned". Nach einigem Hin und Her hatte ich ihn schließlich so weit, dass er zusammen mit mir das Gerät wenigstens bis in den ersten Stock tragen wollte – dort konnte es bis zur Liftinbetriebnahme stehen bleiben.

Also packten wir den Drucker, einer links, einer rechts und stemmten ihn Stufe für Stufe nach oben. Im ersten Stock angekommen meinte der Tschetschene plötzlich zuversichtlich "Viata gehta a". Also erklommen wir weiter seitwärts Stufe für Stufe. Irgendwo im dritten Stock wollten meine verschwitzten, staubverschmierten Finger nicht mehr so recht und ich bat meinen Gegenüber um eine kurze Abstellpause, damit ich unsere Last an anderer Stelle besser ergreifen könne; vorwurfsvoll gab der Tschetschene meinem Ansinnen nach. Wie ich mir meine Hände an der Hose abwischte, fragte er plötzlich: "Wie alt bissu?". Ich nannte ihm mein Alter, worauf hin er wissen wollte: "Glaubst du, wie alt bin i?". Auf mein Schulterzucken antwortete er mit einem verächtlichem Blick auf meine erschöpfte, gebeugte, nach Luft schnappende Gestalt und stieß "Neundreißig!" zwischen den Zähnen hervor. Fürderhin würdigte er mich keines Blickes mehr.

Hab ich es also tatsächlich geschafft, mir die Verachtung eines knapp vierzigjährigen Ausländers zuzuziehen, der sich mit Möbeltragen seinen Lebensunterhalt verdient …

5 Gedanken zu „Auf der Baustelle“

  1. hab dank für diese geschichte. ich finde die wortspielereien wirklich herrlich. da sieht man wieder, wie plakativ kurz man doch das wesentliche ausdrücken kann ;))