Die Budapest-Tagebücher – 6: Nach dem Überfall

Im Folgenden erzähle ich detailliert die Erlebnisse meiner, oder besser unserer, Reise in die ungarische Hauptstadt, die nach nicht einmal 16 Stunden in Budapest abgebrochen werden musste. Der geneigte Leser kann versichert sein, dass ich alle Vorkommnisse wahrheitsgetreu wiedergebe und möge mir daher verzeihen, wenn der eine oder andere Abschnitt etwas gar langatmig geworden ist und die Budapest-Tagebücher sich über viele Einträge hinziehen. Ich glaube aber, dass es sich auszahlt, alles zu lesen …

Budapest, am 17. November 2007, von etwa 03:10 – 03:45 Uhr


Geliebtes Tagebuch,

erinnerst du dich noch? F., C1. und ich wurden von Profis mitten in der Nacht im Zentrum von Budapest überfallen und verprügelt; nachdem uns in der Nähe befindliche Zeugen nicht zu Hilfe gekommen waren, hatte ich hilfesuchend die Notrufnummer gewählt, sah mich jetzt aber außer Stande, dem Menschen am anderen Ende der Leitung meinen Standort genauer beschreiben zu können.

Da erblickte ich zwei Arbeiter, die sich gerade an den Toren des Bahnhofs zu schaffen machten. Eilig stürzte ich, das Handy noch immer am Ohr, die paar Stufen zum Bahnhofseingang hinauf und bat einen der beiden in atemlosem Englisch, meinem Gegenüber am Telefon den aktuellen Standort zu erklären.  Zum Glück schien mich der Bahnarbeiter zu verstehen, denn er nahm das Handy aus meiner zittrigen Hand, sprach ein paar Sätze auf Ungarisch ins Mikrofon und gab mir dann mein Telefon zurück. Der Notrufmensch meinte nur mehr "Understood – I’ll send police" und legte dann ohne einen weiteren Kommentar auf – meinen Namen oder ähnliches wollte er sowieso nicht wissen. Dankbar nickte ich den beiden Arbeitern zu, die schon wieder unbeeindruckt dabei waren, die Bahnhofstüren zu verschließen.

Hinter mir was es mittlerweile ruhig geworden – seit dem ersten Faustschlag waren wohl noch keine fünf Minuten vergangen, auch wenn es mir wie Stunden vorkam. Ich lief zurück über die Straße und war mehr als erleichtert, wie ich erkannte, dass die beiden Schläger nicht mehr da waren – übrigens genau so wenig wie das Taxi. Dafür war ein anderer Ungar, nennen wir ihn J.,  da, der sich um F. und C1. zu kümmern schien. Ich hastete auf die drei zu und schnappte erschrocken nach Luft, als ich das Gesicht von F. sah – geschwollen und vollkommen mit Blut überströmt, erheblich schlimmer als ich es aus Boxfilmen gelernt hatte; auch C1. war blau und geschwollen, hatte es aber anscheinend besser als F. erwischt. Beide waren verständlicherweise vollkommen aufgelöst und konnten sich kaum noch auf den Beinen halten. J. war offensichtlich gerade dabei, die Polizei zu verständigen und als er fertig, bedankte ich mich für seine Hilfe; er blickte mich verständnisvoll an und meinte auf Englisch, er würde bis zum Eintreffen der Polizei bei uns bleiben.

Äußerst dankbar gab ich ihm die Hand, er nahm sie und klopfte außerdem aufmunternd auf meine Schulter; F. und C1. standen oder saßen derweil blutend am Straßenrand und konnten die Situation wohl noch immer nicht fassen. Gemeinsam warteten wir auf die ungarische Polizei, die es so gar nicht eilig zu haben schien – nach etwa 15 Minuten nahm J. erneut sein Mobiltelefon in die Hand und rief, so vermutete ich zumindest, erneut bei der Polizei an – diesmal schon erheblich aufgebrachter. Nach weiteren fünf bis zehn Minuten tauchte endlich ein Streifenwagen auf, dem, man glaubt es kaum, genau jene beiden Beamten entstiegen, die wir schon früher diese Nacht vor dem Nachtklub kennengelernt hatten. Sie schienen nicht sonderlich beeindruckt zu sein sondern warfen höchstens neugierige Blicke auf den blutüberströmten F. Unser ungarischer Helfer redete auf sie ein und schien ihnen die Situation zu erklären, woraufhin sich einer der beiden wieder ins Auto setzte und der zweite einen Block zog und gemütlich begann, Personalien aufzunehmen.

Ich konnte nicht glauben, was da gerade passierte und fuhr ihn auf Englisch an, auf dass er bitte sofort einen Krankenwagen für F. und C1. rufen solle – der Polizist schaute mich nur fragend mit großen, gelangweilten Augen an, zuckte dann mit den Schultern und fuhr fort, auf seinen Block zu kritzeln. Hilflos bat ich J., mein Anliegen den Beamten klar zu machen – ohne lange zu Zögern ließ er daraufhin einen erbosten Schwall ungarischer Wörter auf die Beamten los, bis der im Auto endlich zum Funkgerät griff, woraufhin J. mir zunickte und meinte: "The ambulance is coming."

Mittlerweile hatten sich C1. wieder halbwegs gefangen und führte irgendwelche Telefongespräche auf seinem Mobiltelefon, das später von F. übernommen wurde. Ich stand weiter mit J. und den Polizisten am Streifenwagen und versuchte dem Beamten mit dem Schreibblock meinen Namen und meine Adresse klar zu machen. Unmotiviert wie er war gab er aber schnell auf und reichte mir kurzerhand den Block zusammen mit seinem Kugelschreiber und ich begann, in irgendwelche Felder, ich konnte die ungarischen Beschreibungen ja nicht lesen, meinen Namen und Ähnliches zu schreiben. Mittlerweile waren zwei weitere Streifenwagen eingetroffen – von den Beamten konnte aber, welche Überraschung, ebenfalls keiner Deutsch oder Englisch, was sie aber nicht daran hinderte, teilnahmslos in ihren Wagen sitzen zu bleiben und die Szenerie halbinteressiert zu beobachten. Jetzt waren auch F. und C1. wieder zu J. und mir gestoßen, was den Beamten mit dem Block auf die Idee brachte, ebenfalls ihre Personalien aufnehmen zu wollen – mit den selben Problemen wie bei mir. Also kritzelte ich erneut in irgendwelche Felder die Personalien meiner beiden Gefährten.

Schließlich traf endlich die Ambulanz ein, lustlos kümmerten sich die Sanitäter mehr schlecht als recht um F. und C1. J. sprach erneut mit den Polizisten und gab mir schließlich zu verstehen, dass meine Gefährten ins Hospital gebracht werden würden – ich solle zum Polizeiposten mitkommen. Also stieg ich in jenen Streifenwagen, dessen Tür mir gewiesen wurde und ich war sehr froh, als J. mir erklärte, dass er mitkommen würde, denn ohne ihn würde ich kein Wort von dem verstehen, was mir die ungarische Exekutive zu sagen hatte. Er setzte sich also neben mich in den Fond des Fahrzeugs und wir wurden im Eiltempo, jedoch ohne Blaulicht, ein paar Blöcke weiter zur nächsten Polizeistation gefahren. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich glücklicherweise noch nicht, dass dies noch eine lange Nacht werden sollte …

11 Gedanken zu „Die Budapest-Tagebücher – 6: Nach dem Überfall“

  1. na gut, dass es in good old hungary Streetworker gibt, die sich um betrunkene, getretene und von den Bullen schlecht behandelte Ausländerkinder kümmern;)

  2. Ich glaube J. ist ein Pornoproduzent, Polizisten und Sanitäter seine Angestellten und auf der "Polizeistation" und im "Krankenhaus" gehts jetzt dann nocht richtig zur Sache.

  3. Mhm… ich überleg mir nochmal, ob ich das Paper für die Budapest-Konferenz wirklich submitten soll…
    Und: auch wenns vielleicht sensationslüsternd klingt: gibts denn gar keine Fotos?

  4. Aus anonymer Quelle weiß ich, dass es Fotos gibt, diese werden jedoch momentan vom Bundesheer ausgewertet um etwaige Vergeltungsschläge zu planen.

  5. Es wird ein paar wenige ausgewählte Fotos und Links zum Abschluss geben (Nude Chicks natürlich), aber ich muss erst vom Bundesheer die Freigabe dazu bekommen …