Kein Sex führt zu Aggression

Bevor der geneigte Leser kopfschüttelnd zum nächsten Blogeintrag mit übertrieben reißerischen Titel blättert, haltet inne und lasset mich kurz elaborieren. Ich verspreche auch hoch und heilig, entgegen dem Trend hat es diesmal nichts mit Pornografie zu tun.

Denn hinter dem Titel steckt mehr als mein fadenscheiniges Argument zur präkoitalen Überredung scheinbar allzeit migränegeplagter Partnerinnen. Sondern ich denke an viel gesellschaftlich einschneidendere Probleme als ein unsensibler Blog-Autor auf Sex-Entzug. Mit, davon bin ich überzeugt, weitreichenden Folgen, die wir derzeit nur erahnen können.

Vor gut einem Jahr kam es in Indien zu jener aufsehenerregenden Gruppenvergewaltigung, die sogar einem hart gesottenen europäischen Actionfilmschauer das Frühstücksbrötchen im Hals hat stecken lassen. Und wer ein bisschen tiefer in den dazugehörigen Kommentaren, Analysen und Statistiken gräbt, findet schnell, dass es in Ländern wie Indien im Hinblick auf Vergewaltigungen generell richtig schlimm zu geht.

Jetzt muss man natürlich keine besonders kühnen gedanklichen Sprünge wagen, um die Ursache für diese im weltweiten Vergleich so ungewöhnlich hohe Brutalität von Männern an Frauen zu erraten:

Denn das sind die unmittelbaren Auswirkungen jener gesellschaftlichen Haltung, die männlichen Nachkommen einen höheren Wert zugesteht als weiblichen. Mit dem Ergebnis, dass Söhne stolz hochgezogen, Töchter aber abgetrieben oder weggelegt werden. Was zwangsläufig zu einem starken Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen in der jeweils betroffenen Gesellschaft führt.

In Indien beispielsweise wird dieses Verhalten durch die oft unbezahlbare Mitgift für Mädchen gestützt; in China durch die (mittlerweile gelockerte) Ein-Kind-Politik. Die logische Folge: In China und Indien werden derzeit etwa 1,12 Männer auf 1 Frau geboren.

Über kurz oder lang endet diese Entwicklung an einem unbeherrschbar großen Anteil an frustrierten Männern in der Gesellschaft, die ihrem genetisch fix vorgegebenen Imperativ zur Verbreitung der eigenen Geninformation nicht nachkommen kann. Und die gleichzeitig in einer massiv übersexualisierten Welt leben, wo von jeder Werbewand eine halbnackte Dame verführerisch herablächelt.

Man darf nun also – zu Recht – schockiert und voller Abscheu den Kopf über diese Brutalität und Unmenschlichkeit schütteln. Wundern über sie darf man sich aber nicht.

Überhaupt führt dieser Mangel an Frauen zu allerlei anderen, seltsamen Auswüchsen.  Wie etwa jene junge Frau in Indien, die reihherum mit fünf verschiedenen Männern schläft; die zufällig alle Brüder sind. Oder jene Chinesen, die Tote heiraten. Oder, weniger amüsant, jene Frauen, die entführt und wie Sklaven versteigert werden.

Das Ironische an der Sache ist allerdings, dass der derzeit kaum vorhandene Wert von Töchtern künftig enorm steigen wird – das simple Gesetz von Angebot und Nachfrage schreibt dies unabänderlich vor. Es würde mich also nicht wundern, wenn in Indien bald den Söhnen Mitgift mitgegeben werden muss anstelle den Töchtern.

Der geneigte Leser darf also gespannt sein, ob wir in einem Jahrhundert die selbe Situation wieder haben werden – nur mit vertauschten Geschlechtern.

5 Gedanken zu „Kein Sex führt zu Aggression“

  1. Nicht nur in Indien oder China werden mehr Männer als Frauen geboren, auch bei uns (mit einem sehr ähnlichen Verhältnis von derzeit 1 : 1,07)und das liegt nicht daran, dass bei uns weibliche Nachkommen abgetrieben oder weggelegt werden.
    (http://www.statistik.at/web_de/statistiken/bevoelkerung/geburten/index.html)
    Generell liegt die Aufteilung weltweit bei 1 : 1,3 brutto und 1 : 1,05 netto (ohne geschlechtsselektiver Geburtenverhinderung (was für ein geiles Wort)).
    (http://de.wikipedia.org/wiki/Geschlechterverteilung)
    In Äthiopien beispielsweise kommen im sex-fähigen Alter von 15 – 64 Jahre 0,96 Männer auf eine Frau. Somit müsste Äthiopien eines der friedlichsten Länder der Welt sein, weil jeder Mann zu seinem Beruhigungs-Sex kommt.
    Da dies aber nicht der Fall ist, kann Gewalt nicht am mangelndem Sex liegen, sondern einfach am Charakter. Nichts desto trotz ist häufiger Sex etwas grundsätzlich Erstrebenswertes und die einfache Tatsache, dass es mehr Frauen als Männer gibt für uns Männer und vor allem für die kommenden Generation im Hinblick das anstrengende Buhlen um die Weiblichkeit, besorgniserregend.
    Das einzig wirksame Mittel um diesem Konkurrenzkampf Einhalt zu gebieten ist ein Krieg (so hart es klingt), für die aus dem Felde zurückkommenden Männer gibt es Frauen im Überfluss.

    1. Danke für deinen hervorragenden Kommentar.

      Dass es bei der Geburt statistisch gesehen immer einen Männerüberhang gibt, gibt die Evolution vor. Und wird im Laufe der Zeit durch die höhere Sterblichkeit von Männern wieder ausgeglichen, sodass in Europa auf die ältere Bevölkerung gesehen sogar ein leichter weiblicher Überhang entsteht. Grob gesehen ist bei uns die Quote über eine Lebenspanne aber aber nahe 1:1.

      Wie du selbst schreibst, ist der männliche Überhang bei geschlechtsselektiver Geburtenverhinderung erheblich größer – der wird also nicht im Laufe der Zeit durch die höhere Sterblichkeit der Männer ausgeglichen werden können (es sei die von dir aufgeführte und wenig erstrebenswerte Variante: Krieg).

      Ich finde zwar den von dir angeführten statistischen Ausreißer Äthiopien sehr interessant (die Quote im gebährfähigen Alter ist übrigens höher als die von dir angeführten 0,96, nämlich 0,99 [1], weil alles > 50 Jahren kann für die Fortpflanzung weitgehend ignoriert werden, aber das ist nur Kosmetik, und auch in anderen afrikanischen Ländern ist es ähnlich). Aber aus diesem sehr dem Gegenbeispiel lässt sich nicht auf eine Ungültigkeit meiner Theorie schließen.

      Soll heißen: Nur weil es bei vielen Frauen auch Vergewaltigungen gibt, schließt das noch lange nicht aus, dass es bei weniger Frauen nicht auch mehr Vergewaltigungen gibt. Wobei wir wieder bei Indien mit seinen absurd hohen Vergewaltigungsraten sind [2].

      [1] https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/fields/2018.html
      [2] http://en.wikipedia.org/wiki/Rape_statistics

      1. Hallo Saxx,

        deine Ausführung zu Äthiopien (0,96 bzw. 0,99) ist zwar ganz nett. Die Headline des Blogeintrages lautet jedoch „Kein Sex führt zu Aggression“. Warum sollten dann über 50 jähirge ausgegrenzt werden? Sex „ungleich“ Fortpflanzung?

        @ Johannes: Warum ist das „sex-fähige Alter“ in Äthiopien auf 64 begrenzt?

        lg Old Man

  2. Stimmt, der Titel ist diesbezüglich unkonkret, danke für den Hinweis.

    Allerdings baut mein Argument auf dem erwähnten „genetischen Imperativ“ auf. Das heißt, auf den evolutionär vorgegebenen Wunsch jedes Mannes, sein Erbgut weiter zu geben, und zwar möglichst oft.

    Die Aggression kommt also hauptsächlich daher, wenn der Mann diesem Imperativ nicht nachkommen kann. Und nicht auf bloßem, schnöden Sexentzug, weil allein dafür gäbe es ja ausreichend kostenpflichtige oder Do-It-Yourself Angebote.

  3. @Old Man
    Da ich für mich selbst beschlossen habe meine sexuellen Aktivitäten mit 64 Jahren zu beenden wüsste ich nicht, warum die Äthiopier (oder irgend jemand anderes) länger Sex haben sollte.

    Und nebenbei hätte ich dann das Verhältnis Mann:Frau aus einer komplizierten Statistik heraus berechnen müssen und das wär mir zu anstrengend gewesen. 🙂